Was so alles im Namen des Volkes gesprochen wird!

Urteile werden im Namen des Volkes verkündet. Aber kann das Volk ein solches Urteil auch verstehen?

Der Urteilstenor, also die Rechtsfolge der gerichtlichen Entscheidung ist meistens noch zu verstehen. „Im Namen des Volkes: Die Klage wird abgewiesen.“ Oder „Im Namen des Volkes: Der Beklagte wird verurteilt, irgendetwas zu machen oder zahlen.“

Aber ein Urteil ist zu begründen. Und da hapert es meistens. Leider. Denn die Partei, die vor Gericht verloren hat, sucht in den Urteilsgründen meistens vergeblich. Warum? Weil das Urteil nicht verständlich ist. Im Namen des Volkes bedeutet eben nicht in der Sprache des Volkes. Beispiel gefällig?

„In Fällen ehrenrühriger Werturteile wie vorliegend wird § 193 StGB letztlich von dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG konsumiert, an diesem ist die Meinungsäußerung im Ergebnis zu messen (vgl. LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 4). Allerdings gewährleistet Art. 5 Abs. 2 GG auch das Grundrecht der freien Meinungsäußerung nur in den Schranken der allgemeinen Gesetze, zu denen auch die Strafgesetze gehören. Die Strafvorschrift des § 185 StGB muss somit im Licht der wertsetzenden Bedeutung dieses Grundrechts im frei-heitlich-demokratischen Rechtsstaat ausgelegt und so in ihrer das Grundrecht begrenzenden Wirkung selbst wieder eingeschränkt werden, sog. „Wechselwirkung (vgl. LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 4f. m. w. N.; BayObLGSt 1994, 121,123; BayObLGSt 2004, 133137f.). Nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz ist eine umfassende und einzelfallbezogene Güter- und Pflichtenabwägung vorzunehmen (LK-StGB-Hilgendorf aa0 § 193 Rdn. 6; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 193 Rdn. 9, je m. w. N.). Diese Abwägung ist eine reine Rechtsfrage, so dass sie bei ausreichender Tatsachengrundlage auch vom Re-visionsgericht vorzunehmen ist (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 07.02.2014, 1 Ss 599/13, zitiert nach juris, Rdn. 21).“

Und das ist nur ein Absatz aus einer Urteilsbegründung. Die Prozesspartei ist in der Regel kein Jurist. Sie kennt viele der Wörter nicht und kommt auch an die zitierten Quellen, um dort nachzulesen. Hier wird kein Anwalt benötigt, um sich rechtlich beraten zu lassen. Hier wird der Anwalt zum Dolmetscher.

Da stellt sich natürlich die Frage: Für wen schreiben die Richter ihre Urteile, die sie im Namen des Volkes verkünden? Offensichtlich nicht für das Volk. Vielleicht für die nächste Instanz? Damit diese Richter sehen können, worauf das erstinstanzliche Gericht sich stützt? Für die Presse? Damit die Öffentlichkeit sieht, wie gebildet die Richter sieht? Oder ist es Kauderwelsch, das nur verbergen soll, dass der betreffende Richter auch keine Ahnung hat?

Wie wäre es mit Worten und Sätzen, die die Prozessparteien, also die Angehörigen des Volkes,  lesen und verstehen können? Damit sie nachvollziehen können, weshalb sie Unrecht haben?

Aus einem Gerichtssaal: Beklagter: „Das verstehe ich jetzt nicht.“ Darauf der Richter: „Lassen Sie sich das mal von Ihrem Anwalt erklären.“ Nein, der Anwalt erklärt es nicht. Der erwidert: „Nun, das ist eine Gerichtsverhandlung, also sollte auch das Gericht die Fragen der Parteien selbst beantworten . Sonst hätte man ja keine Verhandlung ansetzen brauchen.“ Und siehe, der Richter erklärte dann.

Richter sind keine Ärzte, nur eben in schwarzen Kitteln. Also redet deutlich. Im Namen des Volkes darf ruhig bedeuten, frei nach Luther, dem Volk aufs Maul zu schauen.

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