Rechtsanwalt: Tückisches Insolvenzrecht

Unternehmen können pleitegehen, also in Insolvenz geraten. Das ist nun mal so im Wirtschaftsleben. An der Stelle sollte man den Unternehmen danken, dass sie jahrelang oder sogar jahrzehntelang Arbeitsplätze geschaffen hatten, eine Wirtschaftsleistung erbrachten, Steuern und Abgaben an den Staat zahlten.

In Deutschland ist es jedoch mit Dankbarkeit nicht weit her. Stattdessen wird nachgetreten. In der Regel verlieren die Unternehmer im Rahmen einer Insolvenz auch einen Großteil ihres Privatvermögens. Das reicht anscheinend noch nicht.

Nun wurde berichtet, dass auch im Fall der Insolvenz von Solarworld nachgetreten wird. Der Insolvenzverwalter möchte 731 Millionen € vom Vorstand. Er hätte angeblich zu spät Insolvenz angemeldet.

Der Vorstand lässt über seine Anwälte auf Gutachten eines großen Wirtschaftsberatungsunternehmens verweisen. Dieses hatte zweimal eine sogenannte Fortführungsprognose erstellt. Damit ist der Vorstand jedoch nicht aus dem Schneider. Der Richter in dem Verfahren maßt sich aus heutiger Sicht an, in Wirtschaftsfragen Ahnung zu haben. So meint er, es wäre doch abzusehen gewesen, dass das chinesische Preisdumping bei Solarzellen das Geschäft zerstört. Natürlich ist man hinterher immer schlauer.

Es kommt aber nicht darauf an, was der Richter heute für Ahnungen oder Kenntnisse hat. Es kommt darauf an, was 2016 oder 2017 bekannt war. Statt zu spekulieren, sollte der Richter hier eher die Sachlage zu dieser Zeit prüfen.

Unabhängig von der rechtlichen Frage ist der Prozess möglicherweise trotzdem zu hinterfragen. Haben die Vorstände tatsächlich ein Vermögen von 731 Millionen, dass sie dem Insolvenzverwalter geben könnten? In der Regel wohl eher nicht. Also würde der Insolvenzverwalter einen Prozess gewinnen, aber kein Geld bekommen. Warum führt er diesen Prozess? Nun, bei einem Gegenstandswert von 731 Million verdient in der Regel der Insolvenzverwalter (bzw. einer seiner Kanzleikollegen) dermaßen viel Geld an diesem Prozess, dass er sich für die Kanzlei lohnt. Wer den Prozess bezahlt? Der Steuerzahler. Da der Insolvenzverwalter ja kein Geld hat und eine pleitegegangene Firma verwaltet, stellt er den Antrag auf Prozesskostenhilfe. Damit kann er wunderbar Prozessgebühren erwirtschaften. Haben die Gläubiger etwas davon? Nein. Dieses Geld bleibt ausschließlich beim Insolvenzverwalter bzw. dessen Kanzlei.

Vielleicht sollte man mal das Insolvenzrecht überarbeiten…